Blicke
Ein sehr großes Thema für jede Transsexuelle ist es, in der Öffentlichkeit aufzutreten, und wie die Reaktionen darauf wohl sind. Es ist nunmal leider so, das wir uns nicht durch das definieren was wir sind, sondern als was wir wahrgenommen werden.
Das Leben als Transsexuelle in der Öffentlichkeit muss man zumindest am Anfang wie in einem perfekten Überwachungsstaat vorstellen. Um so schlechter das Passing, also das Einpassen in die weibliche Rolle, am Anfang ist, um so mehr Personen um dich herum werden dich begaffen. Die größte Angst von Ungeouteten ist wohl die, im Rampenlicht zu stehen. Was das angeht stellte ich vor 105 Tagen keine Ausnahme dar.
Die erste Woche ist wohl die größte Hürde und die schwerste Zeit. Wer keinen Styleberater sein eigen nennen kann, muss sich eben selbst jeden morgen überlegen was Frau anziehen soll. Dabei empfiehlt es sich, Styleguids, wie z.B. von Otto.de zu beachten und sich strikt daran halten. Wenn Frau schon auffällt, dann doch wohl so wenig wie möglich. Ich halte mich an den Guide schon seit dem ersten Tag ohne Ausnahme und wenn man auch danach einkauft ohne sich von ach so tollen Kleiderstücken verlocken zu lässt, dann wird das Passing mit der Zeit immer besser.
Je nach dem welche Defizite der Körper so mit bringt, ich z.B. bin mit 1,89m ziemlich groß, dann fällt man von vornherein mehr oder weniger auf. Da ich fast immer alle umstehenden Frauen um knapp einen Kopf überrage, falle ich deutlich auf und was auffällt wird nunmal genauer begutachtet.
Und jetzt kommt das beste: Wenn man sich eingewöhnt hat, selbstsicher und nicht gekünstelt man selbst ist, dann verändern sich auch die Blicke der Passanten. Einerseits wird man gar nicht mehr so arg angestarrt. Vielmehr wird man kurz gemustert und für gewöhnlich war es das dann auch schon. Wenn das Passing gut ist, wird man endlich als Transsexuelle wahrgenommen, und nicht mehr als skurrilen Mann in Frauenkleidern. Natürlich kommt es immer mal wieder vor, das jemand abschätzig oder gar angewidert schaut, aber damit muss man einfach klar kommen. Mir passiert es allerdings immer häufiger, das ich nicht angeschaut oder angegafft werde, sondern sogar abgecheckt werde. Damit ist der Blick von zumeist Männern gemeint, mit dem sie prüfen ob der Gegenüber eine gute Partie ist. Wenn es mit diesen Blicken anfängt hat man es geschafft. Es können sich noch so viele Menschen ohne Anstand dich den Tag über angaffen, wenn dich einmal ein Mann abcheckt ist der Tag gerettet. Viel mehr Lob für dein eigenes Passing wirst du so bald nicht bekommen.