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Ängste: Operation und dann?

Vor zweieinhalb Jahren begann mein Kampf mein innerstes Ich, allem Widerstand zum trotz, zu leben. Ich kämpfte gegen Unverständnis, Ablehnung, Ignoranz und behördliche Tücken. Sogar körperliche Gewalt musste ich abwehren nur um ich selbst sein zu können. Eine Lebensaufgabe die niemand, der nicht im meiner Haut steckt jemals ganz verstehen wird. Doch nun ist zumindest der behördliche Stress erledigt. Ich habe alle Unterlagen, rechtskräftige Dokumente die mich zumindest auf dem Papier vor jeder Diskriminierung schützen sollen. Aber auch die schützen dich nicht davor vom Hausmeister aus der Damentoilette geschmissen zu werden. Damit muss ich wohl leben.

Einer meiner angeborener Makel ist aber etwas, womit ich nicht ewig leben muss. In genau sechs Wochen ist es soweit. Ich werde die geschlechtsangleichende Operation, im Volksmund schlicht Geschlechtsumwandlung an mir machen lassen. Es ist ein sehr umfangreicher und schwerwiegender Eingriff. Der Schwellkörper wird zu großen teilen entfernt und was dann vom Penis übrig ist nach innen gefaltet. Die Eichel wird versetzt und zurechtgestutzt um fortan als Kitzler zu dienen. Die Eier werden entfernt und aus der verbliebenen Haut werden zum Teil die Schamlippen geformt. Dabei wird die Haut von innen so weit abgeschabt, das nichtmal Haarwurzeln darin zurückbleiben. Nur die Nervenbahnen bleiben hoffentlich erhalten. Die Prostata bleibt für das Lustempfinden an Ihrem Platz. Das alles zusammen nennt man dann Neo-vagina. Im ersten Schritt wird erst einmal alles angepasst, was innen im Körper sein muss. Für diesen Eingriff werde ich zwischen fünf und acht Stunden auf dem OP-Tisch liegen. Danach folgen zwischen zwei und drei Wochen stationärer Aufenthalt im Krankenhaus. Es muss sich zeigen ob alles gut verheilt, ich mit dem versetzten Harnweg problemlos urinieren kann und ob ich sonst mit allem gut klar komme. Ein Zurück gibt es dann nicht mehr.

Nach einer gewissen Zeit zum Verheilen muss ich für eine zweite Operation, die allerdings ohne stationäre Aufnahme erfolgt, noch einmal unters Messer. Dann wird das äußerliche Erscheinungsbild fertiggestellt. Laut Berichten und meinem ausführenden Arzt würde das Ergebnis in den meisten Fällen so gut werden, dass ein Frauenarzt die neugebildete Vagina nicht von einer so biologisch gebildeten unterscheiden kann. Hoffen wir mal das Beste.

Ob ich Angst habe? Ja habe ich. Aber nicht vor der Operation. Ich vertraue den Ärzten und die Erfolgsquote lässt mich vertrauen. ich hab nur etwas Angst vor dem Zugang, den sie einem vor der Operation in den Handrücken legen. Ich werd aber fragen ob sie das machen während ich schon sediert bin.

Sehr viel größere Angst habe ich aber vor dem was danach kommt. Wie gut komme ich mit der Veränderung klar? Ich mein im sitzen pinkle ich schon seit bald drei Jahren. Aber wie verhält sich das mit der neu gebauten Vagina? Frauen haben einen eingebauten Schutzmechanismus und monatliches „durchspühlen“ sorgt für die nötige Sauberkeit. Ich seh da schon Entzündungen und Pilze auf mich zu kommen nur weil ich mich selbst nicht richtig sauber bekomme. Und wie ist es mit der Feuchtigkeit beim Sex? Wird nun Gleitgel einen festen Platz auf meinem Nachtschränkchen einnehmen?

Auch habe ich meine Zweifel daran, wie gut mein Sexualleben nach der Operation noch mit meiner Verlobten sein wird. Wird ihr was fehlen, oder mir? Spielzeug ist nicht das wahre Leben. Ihr wird ganz sicher diese Energie fehlen, die Frau beim Sex empfängt. Und ich? Natürlich bin ich neugierig. Ich will auch wissen wie das ist das neue Ding mal richtig au zu probieren.

Wird das unsere Beziehung zerstören?

Der Gedanke meine Freundin, Verlobte, Lebenspartnerin könnte mal von jemand anderes angefasst werden schmerzt mich unfassbar. Ich bin monogam und treu, bis aufs letzte. Hätte sie mir was zu beichten, ich könnte es nicht ertragen sie noch um mich zu haben. Meine Treue könnte mich aber auch zerfressen. Neugier nach Lebenserfahrung aufzuwiegen gegen eine Beziehung ist sehr viel schwerer als man denkt. Man hat immer das Gefühl etwas verpasst zu haben. Und wenn man es dann doch ausprobiert verliert man etwas, was man womöglich nie wieder findet. Das Leben ist nunmal endlich und ich bin mir vollends im Klaren dass ich als Transsexuelle, so gut meine Tarnung auch sei, nie die selben Chancen haben werde wie die kleinen, zierlichen Frauen da draußen, einen Partner zu finden der mich wirklich glücklich macht. Ich müsste immer zusätzlich zur Aufgabe jemanden zu finden auch noch Toleranz- und Akzeptanzhürden überwinden.

Aber wer sagt das diese Erfahrungen nötig sind? Nur weil ich neugierig bin muss ich es nicht auch tun. Aber als Jungfrau zu sterben hatte ich auch nie geplant.

Ich merke, ich verheddere mich in einem Problem, dessen Lösung heute noch niemand absehen kann.

Bis zum 16. Oktober ist noch ein wenig Zeit. Zeit Bademantel, Sitzring und kuschelige Hausschuhe fürs Krankenhaus zu kaufen. Wer mich besuchen möchte möge mich doch einfach anschreiben.

OP in Aussicht

Nach 9 Wochen hab ich nun endlich die schriftliche Bestätigung meiner Krankenkasse:

„…wurde uns durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung mittlerweile bestätigt, dass Ihr Wunsch nach einer Geschlechtsumwandlung als Krankheit im versicherungsrechtlichen Sinn zu werten ist.

Die [Krankenkasse] ist aus diesem Grund bereit, die Kosten einer Geschlechtsumwandlung zu übernehmen. Hierzu gehört in erster Linie die geschlechtsangleichende Operation“

 

Dieses und weitere Schreiben gehen nun endlich zu meinem erwählen Arzt nach München. Wenn die versprochene Wartelistenzeit von 3 Monaten eingehalten wird, erhoffe ich mir einen Termin noch im Herbst diesen Jahres.

Arztbesuch in Bogenhausen

Am 9. September 2011 hatte ich mein erstes Vorsprechen in Bogenhausen. In der Klinik, genannt „Beckenbodenzentrum Bogenhausen“, arbeitet Dr. Liedl, den ich mir für meine geschlechtsangleichende OP ausgesucht habe.

Das Team rund um den Doktor macht einen professionellen, eingespielten Eindruck. Beim Doktor Liedl selbst bin ich mir noch etwas unschlüssig, was ich von Ihm halten soll. Fachlich ist er einer der besten Operateure in Deutschland.

Beim Gespräch erläuterte es sehr genau, was die OP umfassen wird und wie diese ablaufen würde. Außerdem hat er mir einige Dokumente mitgegeben, die, an meine anderen Ärzte weitergereicht, dazu führen sollen, dass die nötigen Genehmigungen eingeholt werden können.

Die Zeit auf der Wartezeit beträgt etwa 3 Monate, aber da die Krankenkasse immer noch wegen der Laserepilation auf sich warten lässt, wird das wohl nicht ganz so schnell gehen.

August 2011

Dieser August war extrem turbulent. Nachdem die Anfeindungen von Seiten meines Vermieters untragbar wurden, haben wir ende Juli fristlos gekündigt und sind zum 27. August ausgezogen. Der Vermieter mag nur ruhige, pflegeleichte Mieter die bloss nix von ihm wollen, aber alle seine Regeln befolgen. Aber wenn wir etwas wollten wurde dem nicht entsprochen. Den ganzen August lang haben wir ausschliesslich kalt geduscht weil er der Meinung war wir würden zu viel Wasser verbrauchen. Die Beleidigungen und Übergriffe gegen meine Freundin wurden immer heftiger, dass wir sogar Anzeige in 4 Punkten erstatten mussten. Mehr dazu schreib ich demnächst unter „Erlebnisberichte“.

Ich hab für den 9. September eine Beratungsgespräch beim ausführenden Arzt meiner Wahl für die große OP. Ich werde zum Herrn Dr. Liedl nach München gehen, hat doch er und die Klinik Bogenhausen einen hervorragenden Ruf. Außerdem komme ich ja ursprünglich aus München und bin dank dort lebender Familie auch nicht allein. Mal ganz davon abgesehen dass meine Freundin jetzt schon wissen will, wann das sein wird, dass sie sich entsprechend Urlaub nehmen kann.

Mein Passing scheint inzwischen nahezu perfekt zu sein. Nur wenn ich etwas „overdressed“ bin, werde ich begutachtet aber sonst gehe ich in der Masse einfach unter und werde nicht begafft. Fühle mich langsam „angekommen“.