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Reue

Vor drei Wochen hat sich jemand auf mein Blog verirrt und einen Kommentar hinterlassen.

„Hier falls die “Reue” doch noch kommt: sexchangeregret (dot) com“

Wieso schreibt man mir so was? Es geht um das Bereuen, den Geschlechterwechsel vollzogen zu haben.

Wer setzt bitte so eine Webseite auf? Das kann doch nur eine sehr zu bemitleidenswerte Kreatur sein die selbst den Wechsel versucht hat und gescheitert ist, oder? Wer sonst hat einen so großen Hass auf alle, die ihr/ihm versucht haben Mut zuzusprechen zu sich selbst zu stehen? Hat die Umwelt schlecht reagiert? Hat das eigene Nervengerüst nicht stand gehalten? Wieso muss man dann auch noch anderen ihre Entscheidung verleiden? Wir haben’s es mit Rechtsprechung, Krankenkassen und allgemeiner Politik schon schwer genug. Die Gesellschaft ist im Wandel aber wenn sich auch noch Personen aus unseren Reihen gegen uns stellen wird’s hässlich.

Deprimierte Autos

Dafür dass ich bin wie ich bin, dass ich hier auf der Webseite so offen damit umgehe und einfach so bekomme ich häufig Lob für meinen Mut und Menschen sprechen mir ihren Respekt aus.
Ich bekomme häufig sowas zu hören wie „ich könnte das ja nicht“ oder „toll dass du dazu stehst, gerade in unserer Gesellschaft“.

Und dann kläre ich auf dass ich eigentlich nur sehr wenige Probleme mit der Gesellschaft habe. Im Alltag merke ich von der allgemein negativen Haltung gegen Transsexuelle wenig. Das liegt aber wohl auch daran dass ich mich eingefügt habe in mein Leben und kein Paradiesvogel bin und jedem Problem aus dem Weg gehe.
Ich habe meinen Weg zur Arbeit und meine Szene in der ich Party mache. Vom Trubel des Mainstream und der Schickeria der Innenstadt halte ich mich meist fern.

Aber auch ich habe meine schlechten Tage an denen nichts klappt, mir einfach nicht zu helfen ist und ich mich am liebsten unter meiner Bettdecke verkrieche und niemanden sehen will.

Hier nun mein Depri-Beitrag zum Leben als Transsexuelle mit einer Metapher aus der Autowelt:

Ich bin ein Käfer. VW Käfer. Ich war klein, rund und nicht so laut wie die anderen großen Autos. Aber ich habe immer funktioniert. Aber ich hatte einen Traum. Einmal ein Sportwagen sein. Groß, laut und rassig. Ich fuhr also in eine Werkstatt. Ein wahrer Künstler hat stundenlang auf meine Karosserie ein geschlagen. Jetzt sehe ich aus wie ein Sportwagen. Ich bin zwar kein Ferrari geworden aber immerhin ein Porsche. Ein verbeulter Porsche. Die anderen Porsche sehen mich mitleidig an und nehmen mich manchmal auch zu einem Autotreff mit. Aber ich bin immer der Letzte in der Schlange. Ersatzteile gibts für mich natürlich auch keine. Niemand möchte mit mir über importierte Ersatzteile Reden. Aber die Porsche Teile passen nicht wirklich unter meine Karosserie. Die Vertragswerkstatt schickte mich auch wieder weg. Meine Rohre haben Risse, mein Tank ist leck geschlagen und meine Karosserie klappert.
Und im Sprint da versage ich.
Ich war mal ein Käfer. Heute bin ich, ja was bin ich eigentlich? Ein Mitläufer in einer Welt die mich nicht haben möchte?

Ja, auch bei mir läuft nicht immer alles super aber ich bemühe mich. Habe Freunde gefunden die mir beistehen und Kollegen die mir Mut zusprechen.
Sei konsequent, bemühe dich, dann kannst du alles erreichen.

Fragen zur Reaktion in der Öffentlichkeit

Kürzlich wurde ich gefragt, wie ich mit Situationen klar komme, in denen ich mehr als der übliche Passant gemustert wurde und womöglich sogar den Spott von ein paar Jugentlichen auf mich gezogen habe. Letzteres passiert mir nicht mehr so häufig aber ein mal pro Jahr erwischt es mich dann doch. Hier nun mein Rat wie ich damit umgehe wenn ich schon aus der Distanz als merkwürdig wahrgenommen wurde und so das Getuschel und den Spott auf mich gezogen habe:

Wir Transfrauen geben uns alle Mühe weiblich gekleidet und geschminkt auf die Strasse zu gehen. Das setze ich jetzt einfach mal voraus. Dennoch haben wir Makel die wir nicht wegzaubern können. Körpergröße, Statur und Gangart sind untrügliche Merkmale dafür, das etwas nicht stimmt. Das reicht meist aus, dass Passanten genauer hingucken weil sie durch dieses ungewöhnliche Vorkommnis aufmerksam gemacht werden. Das passiert total unbewusst. Die Passanten „suchen“ nicht nach Merkwürdigkeiten an ihren Gegenübern sondern da schaltet das Gehirn unterschwellig auf „vorsicht“ wenn etwas nicht so ist wie es das gewohnt ist.

Wenn Frau nun etwas größer ist als üblich, die Schultern etwas markanter sind und die Gangart nicht von einem breiten Becken zeugt dann sind das schon drei Merkmale womit Frau die Aufmerksamkeit auf sich zieht.

Bei mir treffen zumindest die ersten beiden Punkte zu. Ich bin 1,89cm groß, lasse es mir aber meist nicht nehmen 4-7cm Absätze zu tragen. Dazu hab ich ein breites Kreuz. Das ich so auffalle ist ganz klar und bin ich zumindest was die Absätze angeht selber schuld. Aber wenn schon dann richtig 🙂

Was die Gangart angeht behelfe ich mir hier gerade mit den Absätzen. Absätze sorgen dafür dass du mehr Po-Spannung aufbaust und etwas mehr Schaukelst. Das kommt dem üblichen Hüftschwung einer Frau mit breitem Becken recht nah.

Woher ich das weiß? Ich bin quasi Laufsteg gelaufen und hab mich von guten Freunden beurteilen lassen und hab geübt 🙂

Also auch wenn du noch so weiblich gekleidet warst, von der Distanz ist die Silhouette doch als erstes zu sehen und wenn da auffällt dass die Schultern zu breit sind und du zwischen anderen Menschen etwas herausragst dann reichte das schon aus.

Was wir dagegen tun können?

Gar nichts. Rein gar nichts. Ich wünschte ich könnte da aushelfen aber Körpergröße lässt sich nicht verändern und ein breites Kreuz geht nur bedingt durch Hormone zurück (Muskelabbau). Das Einzige was hilft ist dazu zu stehen. stolz zu sein auf das was und wer du bist. Freude und Freundlichkeit ausstrahlen und damit glücklich sein so überhaupt leben zu können und zu dürfen. Ich meine in anderen Ländern ginge es uns wohl ziemlich dreckig.

Und eine positivie Ausstrahlung ist mehr wert als jeder Lippenstift 🙂

Ja ich erlebe es nahezu täglich das ich etwas genauer beäugt werde. Jung ob alt, Mann oder Frau. Aber eines weiß ich sicher. Wenn ich schlecht gelaunt war, duckmäuserisch mit krummem Rücken und einer miesen Fresse im Gesicht anzutreffen war, haben die Passenten deutlich negativer reagiert als wenn ich mit erhobenem Haupt, stolz und glücklich war. Was ich meine ist, auf jemanden der am Boden liegt lässt sich leichter treten als auf jemanden, der aufrecht steht.

Nimm dir das zu herzen. Auch wenn dein Tag nicht so dolle war, du eine schlechte Nachricht erhalten hast oder irgendetwas nicht so geklappt hat wie du es dir gewünscht hast. Zeige es niemandem! Du bist glücklich, du schaffst das. Alles andere und vor allem die Meinung anderer ist egal solange du dich wohl fühlst in dem was du tust und bist.

Mimose ich

Kürzlich verlinkte Michaela einen Beitrag vom WDR zum Thema „hochsensibel„. Ich hielt mich bis dato für recht einfühlsam und auch etwas dünnhäutig. Mir geht vieles oft deutlich näher als meinen Mitmenschen. Ich hatte das längst als „so bin ich halt“ abgehackt und mich damit abgefunden.

Nichtsahnend öffnete ich den verlinkten Selbsttest, den ich für einen der üblichen pseudo-psychologischen Tests hielt und klickte mich durch. Den Beitrag vom WDR hatte ich noch gar nicht gesehen und die Infoseite „Zartbesaitet“ hatte ich nur überflogen.

Das Ergebnis hat mich dann aber doch überrascht. Ich hatte die höchstmögliche Punktezahl und die dazugehörige Erklärung öffnete mir die Augen. Meine übermäßige Sensibilität zieht größere Kreise als ich dachte.

Nachdem ich die Beschreibungen nachgelesen hatte musste ich feststellen, dass fast alle Merkmale auch auf mich zutrafen.

Ich bin gerne unter Menschen die ich kenne und mag, aber schnell wird es mir zuviel. Ich fühle mich gezwungen, eingeengt und ziehe mich auch schnell zurück. Gleichzeitig empfinde ich das Verhalten anderer als ausgrenzend. Durch die Ausgrenzung bei Gesprächen mit mehr als einer Person werde ich hingegen schnell wütend. Aber um nicht anzuecken oder andere zu belasten behalte ich meine Gefühle meist für mich und fresse es in mich hinein. In den wenigen Situationen ich denen ich mich dazu geäußert habe hörte ich mehr als einmal „du spinst doch„.

Lärm oder vielschichtige Geräusche belasten mich extrem. Durch ein Einkaufszentrum oder den Supermarkt komme ich nur mit Kopfhörern. Ich schotte mich durch die Ohrstöpsel von den Geräuschen meiner Umwelt ab. Dies klappt aber eben nicht immer und so passiert es mir zum Beispiel regelmäßig in der Gemeinschaftsküche, wenn mehr als 4 Personen reden, dass der Lärmpegel mir zuviel wird und ich mich in ein leerstehendes Besprechungszimmer zurückziehe.

Menschen reden gerne mit mir, offenbaren mir ihre Sorgen und Ängste. Ich hab immer ein offenes Ohr für die, die es brauchen. Gleichzeitig habe ich aber Schwierigkeiten über meine Gedanken, Probleme und Sorgen zu reden. Selbst bei den ganz wenigen Menschen, zu denen ich einen guten Draht habe, hab ich immer ein Restgefühl, ich würde mich mit meinen problemen aufdrängen.

Emotionen schlagen bei mir sehr heftig an. Egal ob aus dem realen Leben wenn etwas passiert oder durch Film und Fernsehen. Dies wirkt sich inzwischen deutlich auf meinen Taschentuchkonsum aus. Dabei ist es egal ob etwas zum Lachen oder zum Weinen ist. Tränen fließen fast immer. Dies ist aber auch erst seit der Zuführung des Testosteronblockers so. Früher fühlte ich mich zwar so als ob ich vor lachen oder schmerzen weinen müsste, konnte es aber nie.

Einzig bei Gerüchen scheine ich nicht so anfällig zu sein.

Die genannten Merkmale die der Hochsensibilität zugesprochen werden erklären in der Summe so einiges, was gerade in der jüngsten Zeit mit mir passiert ist. Ich bin aus heiterem Himmel mit einer Person aneinander geraten. Ich hatte mich nur um das Wohl seiner neuen Freundin gesorgt und mich gefreut, dass es ihr mit dem neuen Partner gut ginge. Daraufhin wurde der Partner grob und nötigte mir sogar eine unangebrachte Entschuldigung ab, da mich diese Beziehung ja nichts anginge. Ich war offen und positiv eingestellt, hatte nur das aller Beste im Sinn und wurde so der geballten Wut einer frustrierten aber höchst aggressiven Person ausgesetzt. Dies hat mich noch fast eine Woche lang geprägt und schwingt immer noch ein wenig in meinem Hinterkopf nach.

Alles in allem komme ich damit mehr oder weniger gut klar aber ich wünschte mir oft es wäre nicht so anstrengend.

Der Test gibt abschließend Ratschläge, wie mit der Empfindlichkeit besser umzugehen sei. Ich kann nicht erwarten, das andere genauso denken und reagieren. Ich darf es nicht so persönlich nehmen wenn jemand nicht so aufmerksam und rücksichtsvoll ist wie ich es sein würde.

Oftmals, wenn mich wieder irgendetwas heftig erwischt hat wünschte ich mir mich einfach aus allem raus zu ziehen. Gestern erst, auf der Tanzfläche mich zur Musik bewegend kamen die Gedanken alle Brücken abzureissen, mich zurückzuziehen und mit niemandem etwas mehr zutun haben zu wollen. Wenn diese Gedanken stärker werden versuche ich dies sogar hin und wieder aber genauso schnell suche ich wieder Nähe und Anschluss.

Es ist nicht einfach in einer Welt voller Dornen zu leben wenn die eigene Haut wie Seide ist…

Freunde, Menschen und ich

So lang ich denken kann habe ich schon immer ein Problem mit Menschen gehabt. In der Ausgrenzung und der Einsamkeit aufgewachsen kann ich mich einfach nicht gut ausdrücken.

Gleichzeitig bin ich ein herzensguter und gutgläubiger Mensch mit der fast verloren geglaubten Fähigkeit zuzuhören. Wenn mir jemand zeigt dass ich ihm nicht ganz gleichgültig bin erwächst in mir sofort eine großes Freundschaftsgefühl. Ich mache und tue alles für meine Freunde. Ich stürze mich in Probleme anderer und löse sie. Ich helfe aus wo ich kann, auch finanziell.

Um so härter trifft es mich dann jedes mal, wenn ich erkenne ausgenutzt worden zu sein. Ich zahle für diese Freundschaftsleistungen teilweise heute noch, auch wenn die Personen längst aus meinem Adressbuch verschwunden sind.

Am härtesten hat es mich aber vor relativ kurzer Zeit getroffen, als ich einmal die Hilfe meiner Freunde benötigte und auf taube Ohren stieß. Als ich diese dann zur Rede stellte wurde mir offen die Freundschaft gekündigt, da ich kein Recht besitze auch mal etwas fordern zu dürfen.

Wenn du das hier lesen solltest, es vergeht kein Tag an dem ich nicht über unsere letzten Gespräche nachdenke und mich frage was falsch gelaufen ist.

Bin ich ein Dienstleister? Habe ich zu geben und andere dürfen sich alles nehmen was ich habe? Es gibt einen Menge Menschen die mir jede Woche das Ohr abkauen aber sich keine Minute Zeit für meine Worte nehmen.

Wieso vermittle ich diesen Eindruck ein Gutmensch zu sein den man bis auf die Haut ausnehmen kann? Wieso gibt es so wenig Menschen, die sich tatsächlich mal Zeit für mich nehmen?

HALLO, ICH BIN AUCH EIN MENSCH!

Ich kann und will aber auch kein Arschloch sein. Ich will nicht in die Muster derer verfallen, die mich ausnutzen oder betrügen. Ich will niemandem schaden.

Aber wie komme ich in dieser Welt, die auf dem Recht des Stärkeren basiert, zurecht ohne mich zu verbiegen? Das habe ich schliesslich schon 28 Jahre gemacht.

Gaffer

Apropos hinterher sehen.

Ganz normales Volk, wenn es mir hinterher haut kann man sehr leicht dadurch irritieren, wenn man diese anstarrt. Schnell fühlen sie sich ertappt und schauen weg.

Anders hingegen bei Bauarbeitern oder anderen Männern, die niederen Jobs nachgehen. Zurückstarren bringt hier gar nichts, da diesen Menschen meist jede Form von Anstand verloren gegangen ist.

Reaktionen von Mann und Frau

Männer sind doch einfach gestrickt. Lauf ich in Jeans und T-Shirt rum, interessiert es inzwischen niemanden mehr. Trag ich aber ein Top dessen Ausschnitt deutlich mehr zeigt, guckt mir jeder Kerl dort hin oder schaut mich generell genauer an. Dass er bei genauerem hinsehen entdeckt, das hier irgendwas nicht stimmt ist dann nur noch eine Frage der Zeit.

Einzelgänger Lächeln mich dann oft an mit einem Blick der mir klar macht, er würde mich gerne ansprechen, traut sich aber nicht.

Sind die Männer allerdings in Gruppen unterwegs wird frei nach Klischee gelästert.

Frauen hingegen Lächeln und zeigen mir, dass sie meinen Mut toll finden.

Frauen in Gruppen oder mit Partner hingegen sind genauso eckig wie Männer, wenn sie im Rudel unterwegs sind.

Ich hab große Angst oder Respekt davor, diese Art von Reaktionen mein restliches Leben erwarten zu müssen.

2010 – Ein Rückblick

Zwischen Weihnachten und Neujahr 2009 hab ich mich entschieden meinem inneren Empfinden nicht mehr im weg zu stehen. Anfang Januar war ich zum ersten mal bei einer Selbsthilfegruppe, wenige Tage später zum ersten mal bei meinem jetzigen Therapeuten.

Über Monate hinweg bis Anfang April weihte ich alle Personen ein, die mir wichtig waren oder für meine berufliche Situation nötig waren. Am 6. April dann das große Outing vor allen Mitarbeitern im Büro. Seit diesem Tag habe ich meiner bis dahin getragenen männlichen Maske abgeschworen. Nur zehn Tage später gab’s die ersten Hormone.

Die ersten Schritte im Alltag waren sehr anstrengend da ich mich permanent beobachtet und begafft fühlte. Die Kollegen akzeptieren meine Entscheidung und lassen mich keinerlei Abneigung spüren. Mein alter Vorname fällt nie mehr.

Mit der Zeit fühle ich mich immer wohler, sehe immer öfter die Frau im Spiegel, die ich in mir spüre. Die Öffentlichkeit gafft nicht mehr. Den meisten Personen fällt es immer seltener auf. Mit Kleidung und Stil habe ich mich den Massen angepasst, ohne mich dabei selbst zu verlieren.

Die Medikamente wirken und da sie mir ein wenig das seelische Rüstzeug nehmen, fühle ich mich deutlich weicher und emotionaler. Depressionen kommen und gehen, aber ich verliere mein Ziel nicht mehr aus den Augen. Zu meinen früheren sehr kleinen Freundeskreis hat sich ein neuer, sehr Großer gesellt. Ich bin sehr gesellig geworden und verbringe meine Freizeit viel unter Menschen. Es ist sehr erstaunlich das jetzt, da ich zu mir selbst stehe, plötzlich auch ganz viele Menschen zu mir stehen. Ich werde akzeptiert und sogar geliebt.

Meine alte Leidenschaft für Computer und Technik schwächelt, die Sammelleidenschaft ist vollends verschwunden. Die griesgrämige Maske, unfähig mit Menschen zu interagieren ist zerbrochen.

Der langwierige Weg von einem Gutachter zum anderen, dann zum Gericht und vorher noch zur Endokrinologin wird hoffentlich auch in kürze Früchte tragen, in Form eines neuen, offiziellen Personalausweis mit neuen Vornamen.

Mein Ziel, als Frau zu leben, als Frau wahrgenommen zu werden und ohne Kompromisse Leben zu können hatte ich für in 2-3 Jahren geplant. Doch es ist schon jetzt, nach nur 9 Monaten soweit und ich bin mehr als Glücklich und sogar ein wenig Stolz auf mich.

Dann sehen wir mal was 2011 so bringt.

Blicke

Ein sehr großes Thema für jede Transsexuelle ist es, in der Öffentlichkeit aufzutreten, und wie die Reaktionen darauf wohl sind. Es ist nunmal leider so, das wir uns nicht durch das definieren was wir sind, sondern als was wir wahrgenommen werden.

Das Leben als Transsexuelle in der Öffentlichkeit muss man zumindest am Anfang wie in einem perfekten Überwachungsstaat vorstellen. Um so schlechter das Passing, also das Einpassen in die weibliche Rolle, am Anfang ist, um so mehr Personen um dich herum werden dich begaffen. Die größte Angst von Ungeouteten ist wohl die, im Rampenlicht zu stehen. Was das angeht stellte ich vor 105 Tagen keine Ausnahme dar.

Die erste Woche ist wohl die größte Hürde und die schwerste Zeit. Wer keinen Styleberater sein eigen nennen kann, muss sich eben selbst jeden morgen überlegen was Frau anziehen soll. Dabei empfiehlt es sich, Styleguids, wie z.B. von Otto.de zu beachten und sich strikt daran halten. Wenn Frau schon auffällt, dann doch wohl so wenig wie möglich. Ich halte mich an den Guide schon seit dem ersten Tag ohne Ausnahme und wenn man auch danach einkauft ohne sich von ach so tollen Kleiderstücken verlocken zu lässt, dann wird das Passing mit der Zeit immer besser.

Je nach dem welche Defizite der Körper so mit bringt, ich z.B. bin mit 1,89m ziemlich groß, dann fällt man von vornherein mehr oder weniger auf. Da ich fast immer alle umstehenden Frauen um knapp einen Kopf überrage, falle ich deutlich auf und was auffällt wird nunmal genauer begutachtet.

Und jetzt kommt das beste: Wenn man sich eingewöhnt hat, selbstsicher und nicht gekünstelt man selbst ist, dann verändern sich auch die Blicke der Passanten. Einerseits wird man gar nicht mehr so arg angestarrt. Vielmehr wird man kurz gemustert und für gewöhnlich war es das dann auch schon. Wenn das Passing gut ist, wird man endlich als Transsexuelle wahrgenommen, und nicht mehr als skurrilen Mann in Frauenkleidern. Natürlich kommt es immer mal wieder vor, das jemand abschätzig oder gar angewidert schaut, aber damit muss man einfach klar kommen. Mir passiert es allerdings immer häufiger, das ich nicht angeschaut oder angegafft werde, sondern sogar abgecheckt werde. Damit ist der Blick von zumeist Männern gemeint, mit dem sie prüfen ob der Gegenüber eine gute Partie ist. Wenn es mit diesen Blicken anfängt hat man es geschafft. Es können sich noch so viele Menschen ohne Anstand dich den Tag über angaffen, wenn dich einmal ein Mann abcheckt ist der Tag gerettet. Viel mehr Lob für dein eigenes Passing wirst du so bald nicht bekommen.

Nachtbus 3:47 Uhr

Im Nachtbus auf dem Heimweg aus der Rockfabrik wurde meine Begleitung und ich zuerst getrennt. Er stieg hinten ein, ich vorne.

Ich konnte allerdings sehen wie meine Begleitung mit andern Passagieren ins Gespräch kam. Bei der nächsten Haltestelle wechselte ich nach hinten, der Bus war einfach zu voll zum innen durch gehen.

Ich kam also durch dir hintere Tür in den Bus, sah meine Begleitung wieder und wurde von selbiger begrüßt. Der Andere Passagier, ich nenne ihn einfach mal Paul, reagierte mit „wow, jetzt bin ich aber verwirrt“. Meine Begleitung fragte direkt „wieso, weil noch mehr schwarz Gekleidete?“. Paul halb lachend „ja, das auch aber das meinte ich jetzt nicht“. Ich nur „was denn dann?“. Er zeigte mit dem Finger auf mich und machte eine Bewegung von oben nach unten und antwortete „da deswegen, wusste nicht dass in der Rockfabrik auch solche Parties gefeiert werden“. Wir etwas verdutzt „was für eine Party denn? Da läuft Rock, Gothic, Elektro und Heavy Metal“. Er dachte wohl eher, das die Rockfabrik auch sowas wie Gay-Parties geben würde. Wir machten dann aber doch glaubhaft, das wir wegen der Musik dort hin sind und ich als Frau überall hin gehe, nicht explizit zu dieser Art von Parties, die ich , ganz nebenbei, meide. „wow, finde ich echt Klasse“ war seine Reaktion und wir tratschen noch ein wenig über den Abend und lästerten über übernächtigte Mitreisende.

Das war bis dato die positivste aktive Reaktion in der Öffentlichkeit. Passanten gucken, gaffen und tuscheln aber das war erst die zweite Reaktion bei der ich aktiv mich erklären konnte und die Person so positiv eingestellt war, das es mich nicht genervt hat mein Ich erklären zu müssen.

Bis auf eine wirklich markant negative Reaktion ganz am Anfang habe ich bisher fast nur neutrale oder positive Reaktionen erfahren. Manche Jungs unterhalten sich dann bewusst laut und hetzen gegen Schwule, aber bei so wenig Verstand kann auch ich nur noch lachen.