Aller Anfang ist schwer. Ein Neustart um so mehr.
Nun, nach vier Wochen im fremden Land und drei Wochen im neuen Beruf finde ich endlich die Ruhe über diese Veränderung zu schreiben.
Ein neuer Job hat mich nun in die Schweiz verschlagen. Meine fast vier Jahre andauernde Beziehung ist an andauernden Reibereien und zuletzt an der Aussicht auswandern zu müssen zerbrochen. Daher bin ich alleine knapp hinter die Grenze, etwas unterhalb von Konstanz gezogen.
Dieser Umzug brachte so einige Probleme mit sich. Da die Schweiz weder EU ist noch den Euro als Währung führt, war schon mal die Umgewöhnung an den Schweizer Franken ein wichtiger Schritt. Aber bei leibe nicht der erste und wird auch nicht der letzte sein.
Ich hatte die Wahl, entweder auf deutscher Seite wohnen zu bleiben und in der Schweiz zu arbeiten oder gleich ganz rüber zu gehen. Also hatte ich die Wahl entweder in Deutschland rund 30% Steuern zu zahlen oder die Ersparnis an Steuern in der Schweiz in die Miete zu stecken. Wobei die Wohnungen in und um Konstanz auch nicht gerade günstig gewesen wären. Ich habe mich für letzteres entschieden und fand recht schnell eine geeignete Wohnung in einem Neubau. Erstbezug, mir Fußbodenheizung, zwei Balkonen und auch sonst einer üppigen Ausstattung.
Dann begann der Papierkrieg.
Ich versuchte eine neue Krankenkasse zu finden, ein neues Bankkonto zu eröffnen und meine Altersvorsorge zu klären. Ich scheiterte nach einigem Hin und her an der Hürde, dass erst nach der Erlaubnis im Land zu sein diese Punkte geklärt werden können. Dankenswerter weiße konnte ich in die Wohnung auch ohne den Ausländerausweis einziehen. Diesen und die damit einher gehende Erlaubnis im Land zu sein und zu arbeiten bekam ich erst anfang Januar.
Aber wenigstens funktionierte das mit dem Internetanschluss problemlos. Ich bestellt den Techniker für den 30. Dezember, einen Tag nach meinem Umzug. An diesem Dienstag klingelte um kurz vor 10 Uhr der Postbote und drückte mir eine große Kiste in die Hand. Diese enthielt die übliche Technik, welche ich direkt anschloss. Und so einfach wie es klingt war es dann auch. Stecker rein, Rechner an, Internet war da. Daran sollten sich deutsche Dienstleister mal orientieren.
Inzwischen hab ich mein Bankkonto, aber die Krankenkasse stellte sich als Problem heraus. Durch meinen Transsexuellen Hintergrund und die bereits erfolgten Operationen bin ich für die ein rotes Tuch und bekomme nur das absolute Minimum an Versorgung. Anderen Personen würden sie ermöglichen den Arzt sogar im Ausland frei zu wählen, Zuzahlungen für Brille oder Zahnersatz leisten oder sogar das Abo fürs Schwimmbad bezahlen. Mir hingegen wird nur geholfen wenn ich wirklich krank werde. Einzelbett im Krankenhaus? Ade! Keine Chance. Nichtmal durch Zusatzversicherungen da diese sich weigern mit mir einen Vertrag einzugehen. Wie ich jetzt zur Nachsorge zu Liedl kommen soll ist mir nicht klar. Es läuft wohl darauf hinaus, dass ich es selbst aus eigener Tasche zahlen muss. Immerhin kostet die Krankenkasse hier in der Schweiz nicht annähernd so viel wie üblicherweise in Deutschland. Der Minimale Satz sind hier etwa 150 CHF was dank dem schwachen Euro gerade fast 150€ entspricht. Mit meinem letzten Gehalt habe ich rund 500€ bezahlt. Aber noch hat sich keine Kasse meiner erbarmt, so dass hier das letzte Wort noch nicht geschrieben ist.
Allgemein gesprochen finde ich es hier in der Schweiz alles etwas merkwürdig.
Ich fahre mit dem Auto jeden Tag 37km zur Arbeit. Landstrasse. In Deutschland eine Sache von 20 Minuten. Hier brauche ich für diese Strecke zwischen 35 und 45 Minuten, je nach dem ob es bergauf oder bergab geht. Mein neues Büro ist bei St. Gallen, was zu meiner Wohnung einen Höhenunterschied von knapp 300 Meter ergibt. Mein Smart kämpft sich also jeden Tag die 300 Meter hoch und abends gehts wieder runter Richtung Bodensee.
Privat gehts mir gemischt. Ich vermisse meine Heimat Stuttgart, meine Freunde und auch meine ehemalige Partnerin. Aber es hilft alles nichts, ich werde ne Weile hier unten bleiben und muss mir etwas Neues aufbauen.
Bei Facebook gibt es inzwischen diverse Gruppen nach dem Schema „Neu in [Stadtname]“. In der Konstanzer Gruppe hab ich mich dann auch angemeldet und schnell kurzfristig Anschluss gefunden. Viele nette Leute von jung bis alt mit denen ich dann auch gleich mehrfach unterwegs war.
Die Schweiz ist keine Euro Zone. Seit der Einführung des Euros hatte ich nicht mehr mit fremden Währungen zu tun. Nun häufen sich die kleinen merklich dünneren Silberheller in meinem Portmonee und die bunten Scheine setzen sich von den Euros ab. Ich komme wohl nicht um hin mir einen zweiten Geldbeutel zuzulegen, in dem ich das schweizer Geld separat aufbewahre.
Aber es ist nicht nur das Geld. Eigentlich ist alles anders.
Das Schlimmste ist allerdings, das die hier schweizer Deutsch sprechen. Eine Sprache die nur marginal etwas mit deutsch zu tun hat. Es ist eher mit sächsisch oder bayerisch zu vergleichen. Da ich nicht mehr so gut höre fällt es mir so doppelt schwer die Kollegen am Mittagstisch zu verstehen. Ich muss die vielen verniedlichten Vokabeln erst lernen. Derzeit hat es aber den negativen Effekt, dass ich mich mehr denn je ausgeschlossen fühle. Ich kann noch so gut gelaunt und enthusiastisch weltoffen sein, wenn ich sie nicht verstehe dann bringt mir das alles nix.