Mimose ich
Kürzlich verlinkte Michaela einen Beitrag vom WDR zum Thema „hochsensibel„. Ich hielt mich bis dato für recht einfühlsam und auch etwas dünnhäutig. Mir geht vieles oft deutlich näher als meinen Mitmenschen. Ich hatte das längst als „so bin ich halt“ abgehackt und mich damit abgefunden.
Nichtsahnend öffnete ich den verlinkten Selbsttest, den ich für einen der üblichen pseudo-psychologischen Tests hielt und klickte mich durch. Den Beitrag vom WDR hatte ich noch gar nicht gesehen und die Infoseite „Zartbesaitet“ hatte ich nur überflogen.
Das Ergebnis hat mich dann aber doch überrascht. Ich hatte die höchstmögliche Punktezahl und die dazugehörige Erklärung öffnete mir die Augen. Meine übermäßige Sensibilität zieht größere Kreise als ich dachte.
Nachdem ich die Beschreibungen nachgelesen hatte musste ich feststellen, dass fast alle Merkmale auch auf mich zutrafen.
Ich bin gerne unter Menschen die ich kenne und mag, aber schnell wird es mir zuviel. Ich fühle mich gezwungen, eingeengt und ziehe mich auch schnell zurück. Gleichzeitig empfinde ich das Verhalten anderer als ausgrenzend. Durch die Ausgrenzung bei Gesprächen mit mehr als einer Person werde ich hingegen schnell wütend. Aber um nicht anzuecken oder andere zu belasten behalte ich meine Gefühle meist für mich und fresse es in mich hinein. In den wenigen Situationen ich denen ich mich dazu geäußert habe hörte ich mehr als einmal „du spinst doch„.
Lärm oder vielschichtige Geräusche belasten mich extrem. Durch ein Einkaufszentrum oder den Supermarkt komme ich nur mit Kopfhörern. Ich schotte mich durch die Ohrstöpsel von den Geräuschen meiner Umwelt ab. Dies klappt aber eben nicht immer und so passiert es mir zum Beispiel regelmäßig in der Gemeinschaftsküche, wenn mehr als 4 Personen reden, dass der Lärmpegel mir zuviel wird und ich mich in ein leerstehendes Besprechungszimmer zurückziehe.
Menschen reden gerne mit mir, offenbaren mir ihre Sorgen und Ängste. Ich hab immer ein offenes Ohr für die, die es brauchen. Gleichzeitig habe ich aber Schwierigkeiten über meine Gedanken, Probleme und Sorgen zu reden. Selbst bei den ganz wenigen Menschen, zu denen ich einen guten Draht habe, hab ich immer ein Restgefühl, ich würde mich mit meinen problemen aufdrängen.
Emotionen schlagen bei mir sehr heftig an. Egal ob aus dem realen Leben wenn etwas passiert oder durch Film und Fernsehen. Dies wirkt sich inzwischen deutlich auf meinen Taschentuchkonsum aus. Dabei ist es egal ob etwas zum Lachen oder zum Weinen ist. Tränen fließen fast immer. Dies ist aber auch erst seit der Zuführung des Testosteronblockers so. Früher fühlte ich mich zwar so als ob ich vor lachen oder schmerzen weinen müsste, konnte es aber nie.
Einzig bei Gerüchen scheine ich nicht so anfällig zu sein.
Die genannten Merkmale die der Hochsensibilität zugesprochen werden erklären in der Summe so einiges, was gerade in der jüngsten Zeit mit mir passiert ist. Ich bin aus heiterem Himmel mit einer Person aneinander geraten. Ich hatte mich nur um das Wohl seiner neuen Freundin gesorgt und mich gefreut, dass es ihr mit dem neuen Partner gut ginge. Daraufhin wurde der Partner grob und nötigte mir sogar eine unangebrachte Entschuldigung ab, da mich diese Beziehung ja nichts anginge. Ich war offen und positiv eingestellt, hatte nur das aller Beste im Sinn und wurde so der geballten Wut einer frustrierten aber höchst aggressiven Person ausgesetzt. Dies hat mich noch fast eine Woche lang geprägt und schwingt immer noch ein wenig in meinem Hinterkopf nach.
Alles in allem komme ich damit mehr oder weniger gut klar aber ich wünschte mir oft es wäre nicht so anstrengend.
Der Test gibt abschließend Ratschläge, wie mit der Empfindlichkeit besser umzugehen sei. Ich kann nicht erwarten, das andere genauso denken und reagieren. Ich darf es nicht so persönlich nehmen wenn jemand nicht so aufmerksam und rücksichtsvoll ist wie ich es sein würde.
Oftmals, wenn mich wieder irgendetwas heftig erwischt hat wünschte ich mir mich einfach aus allem raus zu ziehen. Gestern erst, auf der Tanzfläche mich zur Musik bewegend kamen die Gedanken alle Brücken abzureissen, mich zurückzuziehen und mit niemandem etwas mehr zutun haben zu wollen. Wenn diese Gedanken stärker werden versuche ich dies sogar hin und wieder aber genauso schnell suche ich wieder Nähe und Anschluss.
Es ist nicht einfach in einer Welt voller Dornen zu leben wenn die eigene Haut wie Seide ist…